Wir bitten um Ihre Mithilfe!
Um diese Website bestmöglich an Ihrem Bedarf auszurichten, nutzen wir Cookies und den Webanalysedienst Matomo, der uns zeigt, welche Seiten besonders oft besucht werden. Ihr Besuch wird von der Webanalyse derzeit nicht erfasst. Sie können uns aber helfen, indem Sie hier entscheiden, dass Ihr Besuch auf unseren Seiten anonymisiert mitgezählt werden darf. Die Webanalyse verbessert unsere Möglichkeiten, unseren Internetauftritt im Sinne unserer Nutzerinnen und Nutzer weiter zu optimieren. Es werden keine Daten an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
1. Frau Siemßen, was hat Sie motiviert, an einem Forschungsprojekt über inklusiven Fachunterricht mitzuwirken?
Ich hoffe durch die Kooperation neue Anregungen zu bekommen, um der insbesondere an Berufsschulen sehr großen Heterogenität in Bezug auf Bildungsstand, Alter und Ausbildungsbetrieb bei der Unterrichtsgestaltung zu begegnen. Auch wenn in der dualen Ausbildung an meiner Schule bisher kaum Auszubildende mit Behinderungen lernen, steigt die Anzahl und Bandbreite derjenigen Lehrlinge, die auf verschiedenen Ebenen einen besonderen Förderbedarf aufweisen, beachtlich. Wir kennen die während der Schulzeit diagnostizierten, sonderpädagogischen Förderschwerpunkte allerdings nicht, da die jeweiligen Informationen beim Übergang in die Berufsausbildung häufig nicht weitergegeben werden. Das erschwert unsere Arbeit, da wir diese besonderen Lernausgangslagen selbst „herausfinden“ müssen. Zudem haben wir Lehrlinge mit Migrationshintergrund und eingeschränkten Deutschkenntnissen. Wir haben es also mehr mit Inklusion als weitgefassten Begriff zu tun: Wir gestalten den Unterricht so, dass alle Lernenden aktiv beteiligt werden.
2. Hatten Sie, unabhängig vom Forschungsprojekt, bislang Berührungspunkte mit inklusionsorientierter Fort- und Weiterbildung?
Nein. Während im allgemeinbildenden Bereich verschiedene Fortbildungen zum Thema Inklusion, Differenzierung und Umgang mit Heterogenität durchgeführt werden, gibt es leider keine spezifischen Angebote im berufsbildenden Bereich. Aber gerade für den berufsfeldbezogenen Fachunterricht sind Fortbildungsangebote notwendig und wünschenswert, um den Realitäten gerecht zu werden.
3. Wenn Sie an Ihren Arbeitsalltag denken, wo sehen Sie die größten Herausforderungen für inklusive Bildung an Berufsschulen?
Eine große Herausforderung sehe ich darin, wie Inklusion mit Blick auf die Anforderungen des zukünftigen Arbeitsalltags der Auszubildenden sinnvoll umgesetzt werden kann. In der dualen Ausbildung befinden wir uns unmittelbar an der Schnittstelle zwischen dem Bildungssystem auf der einen und dem Beschäftigungssystem auf der anderen Seite. Es geht darum, den Übergang der Auszubildenden in die berufliche Teilhabe zu sichern. Das heißt, dass sowohl in der betrieblichen als auch in der berufsschulischen Ausbildung die berufliche Handlungskompetenz im Vordergrund steht.
Der Alltag der Auszubildenden findet schon während der Ausbildung zum größeren Teil im Betrieb statt. Aber auch in der Berufsschule ist das berufliche Handeln ein entscheidender Bezugspunkt bei der Vermittlung der theoretischen Grundlagen und Zusammenhänge.
4. Was können die Forschenden durch die Zusammenarbeit mit Ihrer Schule in Bezug auf inklusiven Unterricht lernen? Haben Sie konkrete Anregungen und Wünsche hinsichtlich der Inklusion in Ihrem Arbeitsalltag?
Die Forschenden können aus den Erfahrungen der Lehrkräfte und den Einblicken in den berufsschulischen Unterrichtsalltag mitnehmen, dass auch kleine Differenzierungsansätze notwendig und sehr bedeutend sind. Diese sind ohne Aufwand und zum Teil spontan im Unterricht umsetzbar. Lehr- und Lernarrangements, die auf die/den einzelne/n Lernende/Lernenden zugeschnitten sind, lassen sich im normalen Lehralltag zeitlich weder entwickeln noch umsetzen. Zudem ist für alle die berufliche Praxis gemeinsamer Bezugspunkt für das Lernen. Insofern kommt es vielmehr darauf an, die Lernenden so an der Gestaltung des Unterrichts zu beteiligen, dass sie ihre eigenen Ideen, Interessen und vor allem Erfahrungen einbringen können.
Ich wünsche mir mehr Freiräume in Bezug auf Zeit und Raum: längere zusammenhängende Lernphasen, statt 45-minütiger Schulstunden. Flexible Räume, die verschiedene Sozialformen und Methoden, wie experimentieren, ermöglichen, anstelle von engen und vollbesetzten Tischreihen. Darüber hinaus wünsche ich mir medial ausgestattete und eingerichtete Räume, welche eine Nutzung verschiedener Medien und Materialien auch spontan ermöglichen. Volle Klassen erlauben keine Bewegung.
5. Und was war bislang das größte Erfolgserlebnis, das Sie im inklusiven Unterricht erlebt haben?
Erfolge hinsichtlich inklusiver Lehr-Lern-Prozesse erlebe ich im fachpraktischen Unterricht in der Werkstatt, wenn sich die Lernenden gegenseitig helfen und miteinander arbeiten. Die offene Werkstattatmosphäre ermöglicht beim gemeinsamen Arbeiten Kommunikation auf verschiedenen Ebenen. Hierdurch erfahren die Schülerinnen und Schüler nicht nur gegenseitig viel voneinander, sondern auch wir Lehrkräfte bekommen wertvolle diagnostische Informationen zu den einzelnen Lernenden. Diese können wiederum im fachtheoretischen Unterricht sinnvoll miteinbezogen werden. Deshalb ist es wichtig, theoretische Inhalte jederzeit in der Werkstatt veranschaulichen zu können. Somit können Theorie und Praxis unmittelbar miteinander verknüpft werden, umso den Erkenntnisprozess zu unterstützen.
Interviewpartnerin: Edda Siemßen ist seit 2017 Fachlehrerin am Beruflichen Schulzentrum „Otto Lilienthal“ Dippoldiswalde-Freitag. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Tischlerin und war anschließend unter anderem auch als Praxisausbilderin im Holzbereich tätig. Im Jahr 2010 entschied sie sich für ein Lehramtsstudium. Ihr Referendariat schloss sie 2017 ab.
Im Projekt SING unterstützt Frau Siemßen als Praxispartnerin die Projektmitarbeiterin sowie Studierende der Beruflichen Fachrichtung Holztechnik bei der Erprobung und Bewertung inklusionssensibler Lehr-Lern-Settings.